Derzeit wird in OWL – und vermutlich auch bundesweit- mehr oder minder intensiv über den Fachkräftemangel diskutiert. Das ist bei einigen Zielgruppen auch so, aber was wirklich aufregt ist, dass die Personalabteilungen oftmals ihr Recruiting einfach nicht gut aufgestellt haben. Es werden gute Profile einfach nicht gesehen bzw. aussortiert, weil die „Vorauswahl“ – ich will mal ganz vorsichtig sagen -nicht weiß, was sie tut und worauf sie achten soll. Ich will gar keinen bösen Willen unterstellen, sondern schlicht Unwissenheit und mangelnde Erfahrung, auf was zu achten ist oder echt überaltete Glaubenssätze steuern die Entscheidung.

Konkret: Herr Müller, 55, gelernter Maschinenschlosser, Weiterbildungen und Berufserfahrung aus dem Bereich Qualitätssicherung/Maschinenbau, der alle Vorgaben der Ausschreibung erfüllt bewirbt sich zwei Mal bei einer Firma, die ihm zudem auch noch am Herzen liegt. Beide Male bekommt er Absagen. Angeblich passe sein Profil nicht. Ich habe den Mitarbeiter im Coaching, wir beide wissen: seine Unterlagen sind gut und aussagekräftig. Woran es fehlt? Im Bewerbungsprozess und auf hoher See… Sie wissen schon.

Also bat Herr Müller mich, mal nachzuhaken. Er glaubte nicht, eine ehrliche Antwort zu bekommen, wenn er  es selber macht. Ich rufe also in der Personalabteilung bei der zuständigen Dame an. Sie ist mir auch sehr zugewandt und siehe da, Sie erinnert sich noch an Herrn Müller – immerhin habe der sich ja zwei Mal beworben. Auf meine Nachfrage, wo denn der Hase im Pfeffer liege, gibt sie an, dass es eigentlich keinen Grund gibt. Die Stelle sei auch immer noch vakant, man brauche dringend jemanden. Ich rede also ebenso zugewandt auf die Gutste ein, ob man sich denn dann nicht mal ganz dringend persönlich kennenlernen müsse. „Ja, da haben Sie eigentlich Recht.“ Na dann. Wir verabschieden uns mit kollegialen Grüßen und ich versuche nicht mit dem Kopf auf die Tischplatte zu schlagen. Inzwischen arbeitet Herr Müller nach gelungenem Gespräch, kurzem Probearbeiten nun schon mehrere Monate sehr glücklich im Unternehmen seiner Wahl. Die Dame rief mich nun öfter an, ob ich noch Profile für sie habe…ich wies darauf hin, dass vermutlich ausreichend in Ihrem Postfach zu finden seien. Nach einer gemeinsamen Sichtung und einigen Tipps, wie man Recruiting auch anders sondieren kann, bzw. welches Wissen benötigt wird, um eine Vorauswahl zu treffen, läuft es inzwischen etwas entspannter für alle Beteiligten.

Oder aber auch: ein Wirtschaftsprüfer, der gerne raus aus der Beratung rein in eine leitende Stelle im Financebereich eines mittelständischen Unternehmens wechseln möchte bewirbt sich sage und schreibe 4(!) Mal beim selben Unternehmen.  Jedes Mal eine Absage. Wir beide etwas ratlos – lassen es zum Äußersten kommen und ich nehme wieder den Hörer in die Hand: was zeigt sich? Die Dame (und es fällt mir hier schwer, nicht despektierlich zu werden), die die Unterlagen gesichtet hat, konnte mit der Berufsbezeichnung „Wirtschaftsprüfer/Steuerberater“ nichts anfangen und hat daher gleich mal die Absage rausgeschickt. Aha. Das sind die Momente, in denen ich atme. Tief ein…. Dann der Anruf: der Herr ist eingestellt, die Dame wurde gekündigt (da nicht das erste Mal so vorgekommen).

Und das sind nur zwei Geschichten, von denen ich noch einige auf Lager hätte. Meine dringende Bitte: stellen Sie Ihren Personalbereich so auf, dass er weiß, was er tut und nicht ein Mangel entsteht, der vielleicht gar nicht so schlimm ist, wie er derzeit gerne beschrieben wird.

 

Im Bewerbungsprozess und auf hoher See

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