Plötzlich alles anders – wenn du als Führungskraft jetzt plötzlich vor der Herausforderung stehst, dein Team schnell zu dezentralisieren, gibt es ein paar Dinge, auf die du achten kannst:
Führung auf Distanz braucht andere Skills und Absprachen als mit dem zentralen Team. Die bisherige Sozialisation richtet sich darauf aus, manche Anliegen durch direkte Ansprache des entsprechenden Kollegen lösen zu können. Auch die Führungskraft war möglicherweise bisher schnell ansprechbar. Wenn Teams eine räumliche Trennung erfahren, ist das eine dieser Veränderungen, die unter „disruptiv“ beschrieben werden.
Als Führungskraft brauche ich zunächst das Bewusstsein, dass sich mein Team gerade in einem Umbruch befindet. In den jetzigen Zeiten mitunter sehr spontan, ungeplant und nicht vorbereitet. Sei dir als Führungskraft also bewusst, dass du nicht die „normale Routine“ und Arbeitsgeschwindigkeit von deinem Team erwarten kannst. Wenn deine Mitarbeitenden jetzt zum ersten Mal aufgrund der Situation von Zuhause arbeiten, haben sie womöglich nicht einmal eine störungsfreie Umgebung. Zu Hause bin ich anders, als in der Firma. Zu Hause gibt es andere Anforderungen und Rollen an mich. Das alles kollidiert plötzlich mit der beruflichen Situation. Das heißt, meine Mitarbeitenden werden zu Hause womöglich häufiger in ihrem Arbeitsfluss unterbrochen. Es gibt die Elternrolle, die aktuell noch mitbedient werden muss und deren hohes emotionales Potential.
Wenn ich als Mitarbeitender noch nie im home office war und mir niemand erklärt hat, was das an veränderten Anforderungen bedeutet, kann das dazu führen, dass ich mich erst einmal neu einrichten muss in der Situation. Es gibt die Mitarbeitenden, die sich gut selbst führen, die sich strukturieren und ihren Arbeitsalltag weitestgehend weiterführen – prima. Dann können diese Zeiten einen Quantensprung für das Unternehmen hinsichtlich neuer Arbeitskultur sein.
Stell dich aber als Führungskraft auch darauf ein, dass du jetzt mehr gefordert bist, den Rahmen neu zu gestalten in dem ihr euch als Team bewegt. Konkret heißt das für dich:
- Zunächst einmal habe Vertrauen in dich und dein Team. Sei dir bewusst, dass deine Vorstellung von „arbeiten“ nun womöglich neu geformt wird und du die Gelegenheit hast, gemeinsam mit deinem Team viel Neues über euch und eure Unterschiedlichkeit zu lernen – darin liegt eine wertvolle Qualität.
- Du wirst neue Fähigkeiten an dir und deinem Team entdecken und auch feststellen, was für euch nicht funktioniert – das ist in Ordnung und wichtig.
- Achte verstärkt auf die Mitarbeitenden, die auch bislang schon ruhig und zurückhaltend sind – du wirst sie jetzt noch weniger bemerken.
- Setzt als Team eine feste Meetingkultur an. Wenn es euch möglich ist, macht zwei Mal am Tag einen kurzen Feedback Sprint über 15 Minuten – vielleicht wenn ihr in den Tag startet und zu einem Zeitpunkt am Abend. Was ist heute wichtig, welche Informationen müssen andere Kollegen haben, um weiterarbeiten zu können etc?
- Wählt ein digitales Meetingformat, dass alle einsetzen können.
- Sorge dafür, dass die digitale Infrastruktur arbeitsfähig und bekannt ist.
- Meetingdisziplin wird noch wichtiger, Sozialkontakte aber auch – wenn ihr merkt, dass es euch als Team gut tut, euch zu hören – jenseits der Arbeitsthemen, tauscht euch ebenfalls darüber aus, wie es euch im home office geht. Behaltet aber eure Zeiten im Blick.
- Besprecht im Team, dass ihr jetzt eine andere Form der Kommunikation pflegt: ihr seht euch nicht mehr, hört und lest euch dafür verstärkt. Das heißt, alles an Kommunikation, was in einem persönlichen Meeting stattfindet fällt weg. Das kann zu mehr Missverständnissen führen.
- Bevor du dich also über jemanden oder seine Äußerung ärgerst, erinnere dich vielleicht, dass die Situation für alle neu ist – seid umsichtig miteinander.
- Achtet bei eurer Kommunikation verstärkt darauf, auf der Sachebene zu hören, nicht zu interpretieren. Wenn ihr merkt, dass ihr anfangt zu denken, was der andere denkt – nachfragen. Dir fehlen jetzt Informationen aus der Körpersprache, die dir sonst unmittelbar und unbewusst helfen, Aussagen einzuordnen.
- Für introvertierte Mitarbeitende ist dies eine besondere Herausforderung – es braucht Ermutigung und Stärkung, hörbar und lesbar zu werden.
- Wenn du als Führungskraft weißt, dass es für einige Mitarbeitende schwierig wird, sich zunächst in dieser Struktur zurecht zu finden, da womöglich unfreiwillig, nimm dir ausreichend Zeit, diese Personen in dieser Zeit aktiv zu begleiten.
- Eure Intuition wird wichtiger: wenn ihr Störungen „fühlt“ sprecht sie direkt an – ihr habt weniger Möglichkeiten, im Alltag darauf zurückzukommen.
- Rahmenbedingungen wie Zeiterfassung, Pausenregelungen, Kontrolle der Arbeitsergebnisse etc. müssen für alle verbindlich geklärt sein. Seid nicht zu eng im Kopf dabei – Pragmatismus entlang der arbeitsrechtlichen Richtlinien first!
- Macht euch immer wieder – auch als Team – bewusst, dass das jetzt wieder einmal eine Zeit des Lernen und nicht des Könnens ist und das es womöglich etwas dauern wird, bis ihr in der neuen Umgebung eure alte Routine wieder habt.